Mit einem deutschen Ultimatum beginnt am 2. August 1914, um 19 Uhr, für Belgien der Erste Weltkrieg. In der diplomatischen Note wird das kleine Königreich ausdrücklich aufgefordert, den deutschen Truppen für ihren Frankreich-Feldzug freien Durchmarsch zu gewähren.
Mit dem Verweis auf die Verpflichtung des Landes zur Neutralität, wie von den europäischen Großmächten bei der Londoner Konferenz 1831 und 1839 verfügt, lehnt die belgische Regierung das Ultimatum ab. Am 4. August dringen die deutschen Soldaten daraufhin gewaltsam in belgisches Gebiet ein.
Zwölf Tage lang leistet Lüttich einen erbitterten Widerstand, mit dem weder die Deutschen noch der Rest der Welt gerechnet haben. Der Aggressor sieht sich gezwungen, acht Divisionen einzusetzen, wo ursprünglich nur eine vorgesehen war. Das deutsche Heer verliert über 5.000 Soldaten und kommt nach Frankreich deutlich langsamer voran als geplant.
Die Schlacht um Lüttich brennt sich in das kollektive Gedächtnis ein. Die französische Reaktion lässt nicht lange auf sich warten: Paris begrüßt in aller Deutlichkeit den wichtigen Dienst, den die Lütticher der Grande Nation erwiesen hätten, indem sie Frankreich die nötige Zeit verschafften, seine Verteidigung zu organisieren. Schon am 7. August 1914 wird Lüttich als erster ausländischen Stadt der ranghöchste französische Orden, die „Medaille der Ehrenlegion“ verliehen.
In Paris ist die öffentliche Meinung 1914 ganz klar antideutsch eingestellt. Am 15. August werden die Straße und die U-Bahn-Haltestelle, die bis dahin die Hauptstadt des Nachbarlandes ehrten, von „Berlin“ zu „Liège“ umgetauft... und sogar deutsche Schäferhunde nennt man fortan belgisch.
Jeglicher Name, der deutsch klingt oder an den Aggressor erinnert, ist absolut verpönt. In den Pariser Cafés zählt in dieser Zeit ein Café Viennois, ein „Wiener Kaffee“, zu den populärsten Delikatessen. Doch Wien ist die Hauptstadt des österreichisch-ungarischen Kaiserreiches – das an der Seite der Deutschen Krieg führt! Ein Café „boche“! Der Name erscheint plötzlich völlig undenkbar. Kurzerhand wird aus dem Café Viennois ein Café Liégeois.
So schlägt die Geburtsstunde einer gastronomischen Spezialität, die man auch heute noch bestellen kann – in Paris genauso wie in Le Havre, Marseille, SaintTropez, London, New York, Los Angeles oder auf der Insel Réunion …